Und hier ist eine weitere Episode der „Bruchsaler Geschichten“ von Barbara Mitteis, viel Vergnügen bei der Lektüre.
Pater Antoine war ein Internatslehrer meines Bruders, Franzose, und sprach einen herrlischen Akzent, Die Buben nannten ihn liebevoll Oschu, ich möchte ihn aber respektvoll bei seinem normalen Namen nennen.
Pater Antoine kam öfters zu uns nach Hause. Man konnte unser Heim nicht nur gemütlich heißen, es hatte etwas, was ich in all den vielen Jahren nur selten in Häusern vorfand – waren sie noch so schön eingerichtet, es hatte Seele! Pater Antoine suchte die Behaglichkeit, den Geist des Hauses und Mamas Kaffee.
Er war ein großer breitschultriger Mann und hätte jederzeit aus einer Kinoleinwand heraustreten können. Er hatte die gutmütigsten braunen Augen und ein knallhartes Kinn. Er liebte Kinder und legte oft, wenn ich neben ihm stand und auf ein Heiligenbildchen hoffte, seine große Hand auf meinen Kinderschopf und zeichnete danach mit seinem Daumen auf meine Stirne ein Kreuz. Sein Gewand, seine Art, seine Frömmigkeit, die so natürlich war wie seine innere Heiterkeit, das alles prägte sich in mir ein, ohne, dass ich es mir damals bewusst wurde.
Pater Antoine konnte traurige Dinge erzählen, ohne Tränen hervor zu rufen. Ein feines Lächeln begleitete sein lustiges Deutsch. Ihm zuliebe warf ich manchen Groschen ins Missionskässchen, anstatt ihn beim Bäcker für Himbeer- und Zitronenbonbons auszugeben. Ich rasselte ihm dann das Sparbüchslein ins Ohr, um gelobt zu werden. Und Pater Antoine lobte mich, wusste er doch nicht, dass ich hie und da der Versuchung unterlag und dem Döschen wieder einen Zehner für innere Bedürfnisse entwendete.
An einem Wochenende kam mein Bruder nach Hause und sagte: „Oschu wird versetzt“ – was uns allen einen Schlag versetzte.
Ich weiß noch gut wie er kam, um sich zu verabschieden. Groß, schwarzer Habit, Rosenkranz am Gürtel und lächelnd. Noch einmal gab er den Segen. Ich glaube, er musste in die Missionen. Auf der Treppe drehte er sich um, weil ich ihm nachrief und winkte.
Heute denke ich: Vielleicht wartete irgendwo ein kleines dunkelhäutiges Mädchen auf die große gute Hand des Paters und vielleicht bekam es außer dem Kreuzlein auf die Stirn hie und da ein Himbeerbonbon.
© Barbara Mitteis
P. Herbert Antoine SAC ist im Alter von 87 Jahren verstorben
Friedberg/Immenstaad 23.03.2011
Am 22. März 2011 ist unser Mitbruder, P. Herbert Antoine SAC, im Alter von 87 Jahren im Krankenhaus in Ravensburg verstorben. Er stand in seinem 64. Profess- und 59. Priesterjahr. Vor 87 Jahren, am 23. Februar 1924, wurde Herbert Antoine in Zweibrücken als Sohn des Postsekretärs Paul Antoine und dessen Ehefrau Maria, geb. Kloos, geboren.
Als Elfjähriger bewirbt er sich um Aufnahme in das Gymnasium St. Paulusheim der Pallottiner in Bruchsal. Dabei erwähnt er, dass er vom 6. Lebensjahr an die Volksschule in Zweibrücken besuchte, nach der 4. Klasse in das dortige humanistische Gymnasium übertrat und „Lust und Liebe zum Klosterleben“ habe. Die Gymnasialzeit verläuft sehr turbulent. Ab Ostern 1936 besucht Herbert das Gymnasium St. Paulusheim in Bruchsal, nach dessen Schließung durch das NS-Regime wechselt er an das Schlossgymnasium in Bruchsal, wo er 1943 das Abgangszeugnis mit Vorsemestervermerk erhält, das zum Hochschulstudium berechtigte.
Grund für dass abrupte Ende ist die Einberufung zur Wehrmacht, wo er als Bordfunker bei der Luftwaffe eingesetzt wird. Schon als Soldat bittet er um Aufnahme ins Noviziat der Pallottiner, sobald die Militärzeit zu Ende ist. Sofort nach seiner Entlassung aus der britischen Kriegsgefangenschaft findet er sich wieder im St. Paulusheim ein und bedankt sich in einem Brief an den Provinzial dafür, dass er schon während des Krieges von seiner Zulassung zum Noviziat erfahren habe.
Im November 1945 kann er in Untermerzbach das Noviziat beginnen, bereits nach elf Monaten die erste Profess ablegen, um sich dann während des zweiten Noviziatsjahres im St. Paulusheim auf das Abitur im Juli 1947 vorzubereiten. In der Zeit seiner philosophischen und theologischen Studien in Untermerzbach, Eichstätt und Freising hat er Schweres durchzustehen. 1948 verstarb sein Vater, 1950 die Mutter und schließlich wurde es auch immer mehr zur Gewissheit, dass sein im Krieg vermisster Bruder Leo nicht mehr am Leben ist. Außerdem kam die Aufgabe der Vormundschaft für seinen kleinen Bruder Gerhard auf ihn zu, was damals zunächst auf Bedenken bei den Obern stieß.
Doch am 29. März 1952 wird er im Dom zu Eichstätt durch Bischof Dr. Josef Schröffer, den späteren Kurienkardinal, zum Priester geweiht. Bei seiner Primiz am 14. April 1952 in Kirnsulzbach begeht sein Bruder Gerhard zugleich seine Erstkommunionfeier. In den Folgejahren ist P. Antoine von 1953 bis 1959 als Erzieher im St. Paulusheim in Bruchsal eingesetzt, von 1959 bis 1965 als Spiritual in St. Bernhard in Schwäbisch Gmünd und von 1965 bis 1969 als Vizerektor in Hofstetten bei Falkenstein/Opf..
In diese Zeit fällt die schwere Enttäuschung, dass sein sehnlichster Wunsch, als Missionar nach Indien zu gehen, 1966 von den indischen Behörden ohne Angabe von Gründen abgelehnt wird. Doch – wie ein Oberer einmal sagte – „eine Herzkammer gehörte zeitlebens Indien“. So war es ein „Highlight“ seines Lebens, dass er 1994 wenigstens als „Tourist“ einmal seinen ursprünglich vorgesehenen missionarischen Einsatzort besuchen konnte.
Von 1969 bis 1974 ist er vom Mönchsberg in Salzburg aus als Seelsorger und Religionslehrer tätig, um dann nach Mörtschach in der Diözese Klagenfurt/Kärnten zu gehen, wo er 31 Jahre segensreich wirkt. Kein Pfarrer vor ihm war so lange an diesem Ort, wobei er immer lieber als „Pater“ angesprochen werden will. Der Anfang ist schwer. Der Pfarrhof ist in einem so desolaten Zustand, dass P. Antoine zunächst bei einem Nachbarpfarrer wohnt.
Später erinnert er sich: „Ich wundere mich bis heute, wie ich zu den Gottesdiensten und Schulstunden jeweils eine Busverbindung gefunden habe.“ Doch das ändert sich rasch, nicht zuletzt weil er es versteht, viele Gemeindemitglieder zur Mitarbeit zu motivieren. Es ist ihm ein Herzensanliegen, die „prophetische Vorausschau Vinzenz Pallottis von der Mitverantwortung aller als Tragpfeiler für die Kirche der Zukunft“ in der Gemeinde zu verankern. Mit großem Einsatz fördert er die Aus- und Weiterbildung von Gottesdiensthelfern, Religionslehrern, Gebets- und Bibelgruppen und allerlei apostolische Initiativen. Ein sichtbares Zeugnis dieses Bemühens ist die Renovierung der Auenkirche (1977-1981) und die Wiederbelebung der damit verbundenen Wallfahrt.
Nach Vollendung seines 80. Lebensjahres verabschiedet sich P. Antoine von dem geliebten Kärntner Alpenland und zieht an den Bodensee. Von der Seniorenstation „St. Vinzenz Pallotti“ in Immenstaad schreibt er an seine Freunde: „Von Dankbarkeit und innerer Zufriedenheit tief bewegt sende ich euch herzliche Grüße. Hier habe ich zwei Mitbrüder aus dem gleichen Weihejahrgang wieder getroffen. Der eine ruft mich gerade ans Fenster und zeigt mir den Zeppelin beim Rundflug über den Bodensee. Ich bin dankbar für Gottes Führung in meinem Leben, bin dankbar gegenüber meinen Mitbrüdern, besonders jenen vom Mönchsberg in Salzburg, und dass ich hier in dieser einmalig schönen Gegend Aufnahme gefunden habe.“
Nun hat Gott unseren Mitbruder in die ewige Heimat abberufen. Unser Dank und unsere Wertschätzung gilt P. Antoine, der sich mit seinen Fähigkeiten, Grenzen und Talenten in die Gemeinschaft und Pastoral einbrachte, der sich als „demütiger Arbeiter“ verstand und auf diese Weise, wohin auch immer er gerufen war, sein Apostolat lebte.
Das Requiem findet am Montag, 28. März 2011 um 13 Uhr in der Hauskapelle St. Josef Hersberg in Immenstaad statt. Die Beerdigung erfolgt anschließend auf dem Friedhof der Gemeinschaft.
Ich bitte alle Mitbrüder, unseres Verstorbenen dankbar zu gedenken, wie es in den Provinzstatuten vorgesehen ist. Jeder Priester feiere für P. Antoine eine heilige Messe.
Friedberg, den 23. März 2011
P. Hans-Peter Becker SAC, Provinzial
Quelle: www.pallottiner.org