Bruchsal, Bruchsaler Geschichten

Ein neuer Beitrag aus dem Nachlass von Barbara Mitteis:

Die Frau Kreuzwieser

Gleich hinter dem Damianstor, schräg vis-à-vis vom Gasthaus zum Bären, steht das Haus, in dem die Bäckerei Kreuzwieser auf Kundschaft wartete.

Hinter der blitzsauberen Ladentheke stand die blitzsaubere Frau Kreuzwieser. Ich mochte diese Bäckersfrau sehr und manchmal, wenn ich den Schulweg lief, betrat ich den Laden und kaufte von meinen kümmerlichen Ersparnissen ein Hörnchen oder eine Schneckennudel.

Frau Kreuzwieser erlebte ich nicht ein einziges Mal launenhaft. Immer lud ihr liebenswürdiges Lächeln zum Wiederkommen ein, und wenn ich in späteren Jahren missmutige Bedienungen in den Bäckerläden erleben musste, dann musste ich in der Tat an die gute Frau denken, die ihre Brote und Brötchen in einem großen inneren Gleichmaß über die Theke reichte. Ich entsinne mich noch gut, dass sie häufig rosarote Blusen und Pullover trug und eine reinliche Schürze in weiß umgebunden hatte.

Genauso wohl erinnere ich mich daran, dass ich eines Tages fast so krumm wie ein Hefehörnchen vor ihr stand und die linke Backe hielt, weil ich vom Zahnarzt kam. „Was hast du denn, Bärbei?“, fragte Frau Kreuzwieser besorgt und meinte es echt, eine Antwort bekommen zu wollen. „Ach, links oben hat mir der Zahnarzt noch mehr Schmerzen bereitet!“ antwortete ich gequält lächelnd. „Du Arme“, meinte die Bäckersfrau und hörte sich meine Backengeschichte geduldig an. „Dann pack‘ ich dir heute eine besonders weiche Schneckennudel ein. Kannst du sie überhaupt beißen?“ Und ob ich konnte, denn ich hatte großen Hunger und kaute das Gebäck gegenüber im Mund. Frau Kreuzwieser besaß eine große Anteilnahme, denn ich weiß noch, dass sie viele Monate später einmal zu mir sagte: „und was macht der Zahn?“

Sie selbst sprach über sich wenig, aber ab und zu sagte sie mir schon, wo es sie zwickte. Manchmal begleiteten mich Mitschülerinnen ins Geschäft und knallten ihre Schulmappen auf die Ablage vor dem Tresen. Das gefiel weder ihr noch mir. So ging ich am liebsten alleine zu ihr, um meine Wünsche erfüllt zu bekommen.

Frau Kreuzwieser war, bevor sie heiratete, ein Fräulein Mehl. Wie hübsch und passend war der Mädchenname dieser guten Bäckersfrau.

© Barbara Mitteis

Standard

Ein Gedanke zu “Ein neuer Beitrag aus dem Nachlass von Barbara Mitteis:

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .